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Diese Seite beschreibt die
Restaurierung eines ca. 115 Jahre alten Steinheil Refraktors im Jahr 2023. Dazu
kam es, nachdem ein Astrofreund aus Leer mich schon vor einigen Jahren darum
bat, sich der Überarbeitung anzunehmen. Von dem Gerät existierte nur
noch der Tubus mit Okularauszug und dem 110mm Objektiv. Nachdem da Teleskop
etwa 5 Jahre in meinem Arbeitszimmer stand, habe ich dann im Juli/August 2023
mit der Restaurierung begonnen.
Zu dem Teleskop ließen sich
folgende Informationen zusammen tragen: Aufgrund der Gabelkopfmontierung, die
nur noch in Teilen vorhanden ist (die Aufnahmegabel fehlt vollständig),
lässt sich vermuten, dass es sich dabei um ein terrestrisches
Aussichtsfernrohr gehandelt hat. Es verfügt auch über keine Taukappe
und als Sucher dienen nur "Kimme und |
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Korn" und kein Sucherfernrohr.Die schwarze Lackierung legt nahe, dass
es sich dabei um die Originallackierung handelt. Zum einen weil es sich um ein
Aussichtsfernrohr gehandelt hat, zum anderen da sich nach der Entlackung
zeigte, dass die beiden Tubusteile aus verschiedenen Messinglegierungen
bestehen. Das hätte die Firma Steinheil nicht gemacht, wenn das Gerät
in Messing ausgeliefert worden wäre. Die folgenden Bilder zeigen den
Originalzustand des Teleskops vor Beginn der Restaurierung -
alle Bilder lassen sich durch Anklicken
vergrößern. |
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Der Tubus mit
schwarzer Lackierung |
der Original
Steinheil Okularauszug |
Mittelteil
mit Zapfen für die Gabelmontierung |
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Das Objektiv: Die Objektivfassung
und auch der Okularauszug sind mit "Steinheil - München" graviert. Die
Objektivnummer ist die 79 430. Zum Objektiv lassen sich folgende Daten
zuordnen:
Steinheil Objektiv vom Typ A, vermutlich korrigiert für
die Wellenlängen hellrot und grün (für terrestrische
Beobachtung). Typ A ist ein Fraunhofer mit Luftspalt mit einer Frontlinse aus
Flintglas (Meniscus) und einer biconvexen Kronlinse dahinter.
Diese
Objektive vom Typ A wurden für terrestrische Beobachtungen in
Öffnungen zwischen 75- und 160 mm und Vergrößerungen zwischen
42- und 82fach (Stand Jahr 1907) produziert. |
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Die Objektivdaten:
- Objektivdurchmesser: 110
mm
- Brennweite (nach
Kollimatormessung): exakt 1.665 mm
- Öffnungsverhältnis: 1:15
- Produktionsjahr:
zwischen 1905 und 1917
Ein genaueres
Produktionsjahr für das Objektiv lässt sich aus folgendem Grund nicht
ermitteln: Die Firma Steinheil hat alle produzierten Objektive mit einer
fortlaufenden Nummer gekennzeichnet. Dazu wurden die optischen- Prüf- und
Käuferdaten in so genannte Objektiv Jahrbücher eingetragen. Leider
sind die Jahrbücher aus den Jahren von 1905 bis 1917 in den Steinheil
Archiven nicht mehr vorhanden. Das Jahr 1906 beginnt mit der Nummer 63 187 und
das Jahr 1917 endet mit der Objektivnummer 85 000. In der Zeit zwischen 1905
und 1917 wurden im Schnitt pro Jahr etwa 1.800 Objektive produziert. Die
meisten davon waren sicher keine Objektive für astronomische Anwendungen
sondern Fotoobjektive. |
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Quelle: Franz, Helmut + Reutinger, Eduard: Steinheil
- Münchner Optik mit Tradition. Verlag: H. Lindemanns, Stuttgart, ISBN:
3-89506-197-2 |
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Die weitere Daten:
- Tubusmaterial: Messing
(unterschiedliche Legierungen),
- Objektivfassung und
Okularauszug: Grauguss
- Alle Gewinde: metrisch
(metrisches System eingeführt im Januar 1872)
- Gesamtgewicht ohne opt.
Zubehör: 12.7 Kilogramm
Die Firma Steinheil
existierte vom Jahr 1855 bis 1995. Die Seriennummer des letzten produzierten
Objektiv von Steinheil trug die Nummer 2.404.301. Weiteres zur Geschichte der
Firma Steinheil unter
Wikipedia
« So könnte das Originalinstrument vor etwa 115 Jahren
ausgesehen haben.
Die
folgenden Arbeitsschritte der Restaurierung waren:
- Entfernung der alten
Lackschichten,
- Demontage der einzelnen
Komponenten des Tubus,
- Schleifen und Polieren
der Messingteile,
- Überarbeitung von
Okularauszug und Objektivfassung,
- Vorbereitungen für
die Neulackierung,
- Zusammenbau aller
Komponenten nach der Neulackierung,
- Montagemöglichkeit
zum Testen des fertigen Teleskops am Himmel,
- Brennweitenbestimmung am
Kollimationsfernrohr,
- Testaufnahmen an Sonne
und Mond.
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Das große Problem beim Entfernen solch alter Lackschichten ist,
dass moderne Abbeizer nicht wirklich hilfreich sind. Aus langjähriger,
"bitterer", Erfahrung weiß ich, dass die Lackschichten
solcher historischer Teleskope in eigenen Farbanmischung,
die mit modernen Lacken nicht zu vergleichen sind, so dass die modernen
Abbeizer hier nicht wirklich wirksam sind. So auch hier: der schwarze Lack
ließ sich relativ problemlos entfernen, die darunter liegende
grünliche Grundierung erwies sich als hartnäckig. So waren es viele
Arbeitsstunden mit wiederholtem Abbeizen, viel Sauerei in der Werkstatt und
körperliche Arbeit mit der Drahtbürste
erforderlich. |
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Der Tubus mit schwarzer Lackierung |
Jede Menge Chemie und Schleifmaterialien |
Mittelteil mit Zapfen für die alte Gabelmontierung |
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Der schwarze Lack ist entfernt ... |
... die grüne Grundierung ist
hartnäckig |
nach ca. 4 Wochen ist auch die grüne Grundierung entfernt |
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Danach konnten Okularauszug, Objektivfassung und die beiden
Tubussegmente voneinander getrennt werden. Das Mittelteil mit den beiden Zapfen
für die Aufnahme in die Gabelmontierung war mit dem Tubusteil über
100 Jahre verklebt und konnte nicht mehr getrennt werden.
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Die Objektivfassung (inkl. Objektiv) und der Okularauszug wurden in
meiner Drehmaschine von den Lackresten vorsichtig mit Schleifpapier entfernt,
wobei bei einem Objektiv in seiner Fassung bei 1000 Umdrehungen pro Minute
manchmal " das Herz stehen blieb" (siehe Bilder oben). Ich wollte die beiden
Glaslinsen nicht aus der Fassung ausbauen, weil die alten Objektivfassungen
sehr kompliziert konstruiert sind und die Zentrierung nach dem Wiedereinbau
nicht unbedingt gewährleistet ist.
Anschließend wurden alle Einzelteile für
die folgende Lackierung abgeklebt. Die Messingteile wurden mit Zaponlack, einem
speziellen Messinglack, und Graugussteile Okularauszug und Objektivfassung
zuerst grundiert und anschließend zusammen mit dem Mittelteil schwarz
lackiert. Um die Lackschichten etwas haltbarer zu machen, wurden die
Einzelteile mit einer Heißluftpistole "Einbrenn lackiert" (siehe
Bilderstrecke unten). |
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Eine Plastikdose schützt die
Gleitflächen |
Meine "Lackierkabine" |
Die Grundierung |
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Die schwarze Lackierung |
Meine "Einbrennlackierung" |
Zaponlackierung der Messingteile |
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Zum Schluss wurde eine speziell Aufnahme für einen 44mm
Schwalbenschwanz gefräst, um das Teleskop für Testbeobachtungen auf
einer modernen Montierung an den Himmel zu bringen. Von dem Neubau einer Gabel
wurde abgesehen, weil dies einen erheblichen mechanischen Aufwand nach sich
gezogen hätte.
Der montierte Steiheil Refraktor nach der Lackierung im
Werkstattaufbau |
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Blieb noch die Bestimmung der Brennweite mit einem
Kollimator, die eine Brennweite von exakt 1.665 mm und damit ein
Öffnungsverhältnis des 110 mm Objektivs von f:15 ergab.
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Steinheil und Kollimator |
Das Kollimationsfernrohr (rechs) ist ein 4" - f:10 Lichtenknecker AK Objektiv. Es ist Dieter Lichterknecker erstes,
selbst geschliffenes Objektiv |
Der Siemensstern zur Brennweitenbestimmung |
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Das Objektiv ist in einem sehr guten Zustand, nach einer
Säuberung nahezu ohne Kratzer und natürlich bei dem Alter ohne jede
Vergütung. Bei der Übergabe an den Besitzer in Leer, taufte er den
alten Steinheil spontan und liebevoll als "Golden Eye".
Nach meinen Erfahrungen mit solch alten Objektiven,
die oft ein super Kontrastverhalten am Himmel zeigen, war auch zu hoffen, dass
das Steinheil Objektiv in diese Kategorie fallen würde. Und
tatsächlich zeigten Testbilder an Sonne und Mond saubere Ergebnisse, die
sich durchaus mit modernen Objektiven - zumindest in Bildmitte - vergleichen
lassen.
Bilderserie unten:
Montage des fertigen Teleskops auf einer Losmandy Montierung in
Leer/Ostfriesland. |
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Im folgenden zeigen wir noch einige Testbilder,
aufgenommen mit dem 110 mm Steinheil Refraktor und einer ZWO ASI 290 MM. Bei
den Weißlichtsonnen- und den Mondbildern wurde ein Baader SolarContinuum
Filter eingesetzt. Die H-alpha Bilder wurden mit einem umgebauten PST Ansatz
belichtet. Die Bilder sprechen für sich. |
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Clavius und Maginus |
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Ptolemaeus, Alphonsus und Arzachel |
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Erathostenes und das Mare Imbrium |
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Das Bild zeigt einen Vergleich zwischen einem modernen
6" APO Refraktor (links) und dem alten Steinheil Objektiv (rechst).
Das ist doch nicht schlecht für
Objektiv von nur 110 mm. |
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Die Sonne im H-alpha Licht ... |
... bei einer Halbwertsbreite
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... von ca. 0.5 Angström |
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Sonne am 12.10.2023 - AR 3464/65 |
AR 3463 |
AR 3464 |
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Selbst Protuberanzenaufnahmen, die normalerweise sehr gegen
Streulicht anfällig sind, sind problemlos möglich, das spricht
für eine gute Baffelung im Tubus. Ich denke die viele Arbeit hat sich gelohnt und ein über 110
Jahre altes Teleskop wird nach Jahrzehnten wieder für Beobachtungen und
die Fotografie eingesetzt.
W. Paech im Oktober 2023 |
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Eine weitere Restaurierung eines noch älteren und
größeren Steinheil Refraktors aus dem Jahr 1870
ist hier beschrieben. Es war eine "Auftragsarbeit" von
Herrn Thomas Baader/Baader Planetarium Mammendorf. Es steht heute - neben
anderen historischen Teleskopen - an seinem endgültigen Ort («). Zuvor wurde das Teleskop jedoch am
Sternenhimmel getestet (« «).
Abgesehen von die für Fraunhofer Objektive typische Restchromasie, zeigt
das Objektiv eine extrem scharfe und kontrastreiche Abbildung; umso
erstaunlicher als Objektive in der damaligen Zeit mit der Hand - und ohne die
heute üblichen Test- und Messmethoden - "hingepröbelt"
wurden.
Der Original Besitzer des Teleskops war
Moritz Mittenzwey, der Konstrukteur des Mittenzwey Okulars.
Der Anschaffungspreis betrug im Jahr 1870 3.400 Florin. Zur Wertermittlung
wurde das Jahreseinkommen (im Jahr 1873) des Reitstallmeisters der Familie
Krupp herangezogen. Es betrug 620 Florin, somit repräsentierte der Wert
des Teleskops 5,5 komplette Jahresgehälter.
- Gesamtarbeitszeit der
Restaurierung - verteilt über 5 Jahre - ca. 1.000 Stunden
- Reine Materialkosten
etwa 3.000 Euro
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All Images and all
Content are © by Wolfgang Paech |